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Eine ethische und wissenschaftliche Debatte im Wandel
Die Betreuung von Minderjährigen und jungen Erwachsenen mit Geschlechtsidentitätsfragen führt heute zu einer internationalen Kontroverse.
Einerseits befürworten einige Verbände und Aktivisten eine schnelle Bestätigung der erklärten Identität (Vorname, Pronomen, Kleidung) und einen frühen Zugang zu Pubertätsblockern oder Hormonen, gestützt auf Daten, die eine Verbesserung des psychologischen Wohlbefindens nahelegen. Andererseits erinnern zahlreiche Kliniker und Institutionen (z.B. Cass Review im Vereinigten Königreich, WPATH SOC-8) an die identitäre Plastizität in der Adoleszenz und betonen die Risiken irreversibler medizinischer Eingriffe: Unfruchtbarkeit, Osteoporose, kardiovaskuläre Effekte oder dauerhafte körperliche Veränderungen.
Es gab schon immer Unterschiede zwischen explorativen Psychotherapien, auch als „Watchful Waiting“-Therapien bezeichnet, und den sogenannten affirmativen Therapien, die heute vorherrschend sind.
Worum geht es?
Quelle: Shutterstock
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Medizinische Behandlungen sind nicht vollständig reversibel.
Frühe medizinische Behandlungen bergen erhebliche Gefahren, wenn es um Jugendliche in Geschlechtsfindung geht.
- Pubertätsblocker: Wenn sie körperliche Veränderungen vorübergehend aussetzen, können sie auch die Genitalentwicklung hemmen, die Knochendichte schwächen und die neurologische Reifung beeinflussen (Hruz et al., 2017, Pediatrics).
- Cross-Sex-Hormonbehandlungen: Sie erzeugen irreversible Effekte (Stimmbruch, Körperbehaarung, dauerhafte Sterilität) und erfordern Wachsamkeit hinsichtlich kardiovaskulärer und metabolischer Risiken (WPATH SOC-8, 2022).
- Geschlechtsangleichende Operationen: Schwerwiegend und endgültig, bleiben sie gemäß internationalen Empfehlungen im Allgemeinen dem Erwachsenenalter vorbehalten, werden aber zunehmend an Minderjährigen durchgeführt.
Keine robuste Studie (randomisierte Studien, Langzeitbeobachtung, große Stichproben) hat mit Sicherheit gezeigt, dass Pubertätsblocker psychische Belastungen oder das Suizidrisiko nachhaltig reduzieren. Die verfügbaren Daten sind begrenzt, oft beobachtend, mit geringer Nachverfolgung und erheblichen methodologischen Verzerrungen (Selektion, Selbstauskunft, Fehlen einer Kontrollgruppe).
Der Cass Review (Vereinigtes Königreich, 2022, dann Abschlussbericht 2024) kommt zu dem Schluss, dass es an soliden Beweisen für psychologische Vorteile mangelt, und empfiehlt Vorsicht.
Eine ethische und wissenschaftliche Debatte im Wandel
Länder wie Schweden, Finnland oder das Vereinigte Königreich haben bei frühen Behandlungen einen Rückzieher gemacht. Der vom britischen NHS in Auftrag gegebene Cass Review-Bericht (2024) zeigte einen eklatanten Mangel an wissenschaftlichen Beweisen für die langfristige Wirksamkeit früher Hormonbehandlungen auf. Der Bericht empfiehlt nun, das ausschließlich affirmative Modell zu verlassen und zu einer umfassenden psychologischen Bewertung junger Patienten zurückzukehren.
In der Schweiz bleibt die Debatte noch verhalten. Doch die ersten Berichte von Jugendlichen, die ihre Transition abgebrochen haben — sowie die Stellungnahmen einiger Gesundheitsfachkräfte, die zur Vorsicht mahnen — finden allmählich Widerhall in der Öffentlichkeit.
Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie, obwohl sie die Achtung der Geschlechtsidentitäten befürwortet, erkennt den Bedarf an Längsschnittstudien und Wachsamkeit bei den Protokollen an.
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Wie steht es um die Massnahmen für die Zukunft unserer Kinder?
Am 12. März 2024 kündigte der britische National Health Service (NHS) ein dauerhaftes Verbot der Verschreibung von Pubertätsblockern an Kinder unter 18 Jahren an, mit Ausnahme von Fällen, die in klinischen Forschungsprotokollen enthalten sind. Die Entscheidung folgt dem Cass-Bericht, einer unabhängigen Untersuchung der Gesundheitsdienste für junge Menschen mit Geschlechtsproblemen, der zu dem Schluss kam, dass es an ausreichenden Beweisen für die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Behandlungen mangelt. Auch die Kommission für Humanarzneimittel (CHM) hielt die derzeitige Verschreibungssituation für unsicher und empfahl ein Verbot, bis sicherere Bedingungen geschaffen seien. Diese Massnahme wird 2027 neu bewertet .
In der Zwischenzeit schloss der NHS die Tavistock GIDS-Klinik im März 2024 aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Behandlungssicherheit. Es wurde durch ein Pflegemodell ersetzt, das sich stärker auf psychotherapeutische Unterstützung und die Erforschung der zugrunde liegenden Ursachen der Geschlechtsdysphorie konzentriert und nicht auf einen den Übergang bejahenden medizinischen Ansatz.
Diese Entwicklung markiert einen Wendepunkt in der Betreuung junger Menschen mit Geschlechtsproblemen im Vereinigten Königreich.
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